Nachdem unsere Rezension über den mobilen Vokabeltrainer crammy so gefragt war haben wir den Dienstanbieter vom crammy Vokabeltrainer interviewt.
Lernblog: Sehr geehrter Herr Stankewitz, bitte stellen Sie sich vor und erläutern Sie unseren Lesern, wie sie auf crammy gekommen sind und wie lange Sie bereits daran arbeiten?
crammy: Ich bin als Dipl. Ing. für Elektrotechnik nie ein Sprachgenie gewesen und habe lange als Projektingenieur an der Entwicklung von Schienenfahrzeugen gearbeitet. Mit den ersten Projekten für ausländische Kunden fingen die Probleme an. Meine Schulkenntnisse der englischen Sprache wurden in einem Crash-Kurs aufgefrischt. Danach konnte ich wieder ordentliche Sätze bilden und über fachliche Themen sprechen – die Fachvokabeln hat man im Beruf durch e-mails und andere Fach-Dokumente ja ständig im Gebrauch. Schwierig wurde es beim Small-Talk mit den ausländischen Kollegen, beim Mittagessen oder abends beim Bier. Ich merkte, es fehlen mir einfach zu viele Vokabeln. Ich kaufte mir ein kleines Buch mit den wichtigsten 4.000 Vokabeln und dachte: “Wenn jemand ein Buch mit nur 4.000 Vokabeln druckt, muß es schon sinnvoll sein, nur diese 4.000 zu kennen. Das ist zu schaffen!„. Durch die Übersichtlichkeit der Aufgabe motiviert, lernte ich von A bis Z diese 4.000 Wörter und siehe – ich konnte den Gesprächen plötzlich folgen und das Fehlende erfragen. Später erfuhr ich, daß 4.000 Vokabeln etwa 80% der täglich benötigten Wörter abdecken, 10.000 etwa 99%. Das sind Durchschnittswerte. Ein englischer Hafenarbeiter kommt mit nur 200 unterschiedlichen Wörtern über den Tag. Das wichtigste fängt wohl dabei mit “f„ an. Später als ich als freiberuflicher Ingenieur arbeitete und mit meinen Kindern wieder beim Thema Vokabeln lernen war, dachte ich über eine elektronische Lösung in Form eines Handgerätes nach. Das war 1999. Mit einem Freund bauten wir einen Prototyp eines Crammy – noch ohne Sprachausgabe und zogen los, um das fehlende Geld für die Entwicklung von den damals aus den Boden schießenden Venture-Capital Gesellschaften zu aquirieren. Im Gegensatz zu den vielen Internetfirmen, die Millionen “verbrannten„, bekamen wir keine Finanzierung zu Stande. Jeder Geldgeber fördert eben am liebsten das, was woanders schon funktioniert – so kommen ja die “Blasen„ an der Börse zustande. Das Verständnis dafür, daß die Amerikaner kaum Probleme mit Fremdsprachen haben und in diesem Fall auch mal ein neues Produkt aus Deutschland kommen könnte, war für einen Banker wohl schon zu viel verlangt. Auch Schulbuchfirmen oder Hersteller elektronischer Wörterbücher zeigen erst jetzt Interesse, nachdem wir die Serienreife allein geschafft haben. Als wir erfuhren, daß auch der erste Mercedes aus ähnlichen Gründen zuerst in Frankreich gebaut wurde und die Produktion danach erst nach Deutschland zurückkehrte, waren wir mit unserem Schicksal wieder versöhnt. Wir nahmen das Geld, was eigentlich für unseren Lebensabend gedacht war (als selbständiger Ingenieur ist man privat rentenversichert) und fingen noch einmal von vorne an. Inzwischen gab es mp3, so haben wir gleich die Sprachausgabe integriert.
Lernblog: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit den bekannten Designer Coloni zu stande?
crammy: Wie jeder kreative Mensch braucht auch ein Designer feedback von der Masse und so zog Colani vor ein paar Jahren mit einer Wanderausstellung, die ein Teil seines Lebenswerkes zeigte, durch Einkaufszentren von Deutschland. Als er in seinem weißen Pullover und mit qualmender Zigarre in meiner Heimatstadt Schwerin saß, sprach ich ihn an und fragte, ob er unser Modell, was schon so ähnlich wie heute aussah (Drehrad + 2 Tasten) ein wenig ergonomischer gestalten konnte. Nach zwei Tagen rief er mich an und legte mir ein Knetmodell auf den Tisch, daß schon fast wie der jetzige Crammy aussah. Wir mußten dann zusehen, wie wir alle Teile darin unterbringen konnten. Die mechanische Konstruktion und der Formenbau für die Spritzgußformen was außerordentlich kompliziert, da keine Linie wirklich gerade ist. Wir begannen zu ahnen, warum sich ergonomisches Design nur schwer durchsetzt.
Lernblog: Das Lernen mit den crammy macht zwar etwas Spaß, jedoch fehlen dem Lernenden kleine Erfolgsmomente, wie lobende Worte (am besten in der jeweiligen Fremdsprachen) und Aufmerksamkeiten wie Smilies und ggf. kleine Spiele, die man sich durch das Erreichen einer neuen Lektion freischalten kann. Für eine junge Zielgruppe wäre solch ein zusätzlicher Modus mehr lernförderlich. Reicht dafür der Speicherplatz nicht aus?
crammy: Wir hatten am Anfang über solche Motivationshilfen nachgedacht. Dann setzte sich bei uns die Meinung durch, daß auch das freundlichste “gut gemacht!„ beim tausendstend mal wirklich nerven würde und wir haben darauf verzichtet. Es gibt 2 unterschiedlich lange “freundlich„ klingende Signaltöne. Einer nach 3x positiver Quittierung nacheinander. Ein längerer nach “endgültig gelernt„. Als Motivationshilfe gibt es den Zähler der endgültig gelernten Vokabeln auf dem Startbildschirm und für Schüler den “Tamagochi-Mode„, der in Abhängigkeit vom Lernfortschritt im Vokabeltestmodus zum Lernen auffordert. Das Alter, in dem Crammy für Schüler sinnvoll wird, setzten wir mit 12 Jahren an. Die Motivation sollte dann schon aus dem Lernerfolg gezogen werden können, nicht aus künstlichen Anreizen.
Wir müssen auch aufpassen, daß die Komplexität der Funktionen nicht zu groß wird. Auch wenn Schüler oder Techniker wie wir die eigentliche Zielgruppe sind, müssen als Multiplikatoren die Sprachlehrer und Eltern überzeugt werden. Gerade Sprachlehrer verstehen oft nicht, warum man überhaupt Vokabeln lernen muß – sie hatten damit noch nie Probleme.
Lernblog: Kommen wir zur 3. Generation des crammys. Dieser soll außer zusätlichen 50.000 unvertonten Vokabeln, die Möglichkeit bieten eigenständig unvertonte Vokabeln einzutragen. Wann kann man mit dieser Geräte-Generation ca. rechnen und wie wird man neue Vokabeln hinzufügen können?
crammy: Die nächste Generation ist für das nächste Jahr geplant. Einen konkreten Termin gibt es noch nicht. Wir werden die Funktionalität des mitgelieferten PC-Programms so erweitern, daß über einen Editor oder csv-Import eigene Vokabeln unvertont in ein Wörterbuch aufgenommen werden können.
Lernblog: Wird auch der Feedback zur Usability/Benutzerfreundlichkeit in der dritten Generation eingehen?
crammy: Wir haben natürlich weitere Verbesserungen auf der Liste. Ob und wann wir diese aber realisieren können, hängt vom Verkaufserfolg der gegenwärtigen Gerätegeneration ab. Deshalb wollen wir nicht zu viel versprechen.
Lernblog: Kann meine seinen crammy aus Generation 1 oder 2 auf eine zukünftige Version überführen können, damit man die neuen Möglichkeiten nutzen kann?
crammy: Wichtiger als funktionelle Änderungen erscheinen uns inhaltliche Weiterentwicklungen. So arbeiten wir an der Erstellung eines Satz-Wortschatzes für Englisch, mit dem an Hand von Mustersätzen Vokabeln im inhaltlichen Kontext gelernt werden können. Auch Grammatik und Satzbau kann auf diese Weise implizit mit gelernt werden, ohne die Regeln explizit kennen zu müssen. Dieser Satztrainer soll noch im 4. Quartal 07 fertig werden und wird auch auf den Geräten der gegenwärtigen Generation lauffähig sein. Dazu ist über USB der Vokabelwortschatz gegen den Satztrainer auszutauschen.
Lernblog: Vokabeln sind wichtig. Ich halte persönlich jedoch grammatikalische Zusammenhäng für noch wichtiger und schwieriger. Wird es auch ein Grammatik Lektionen auf zukünftigen Generationen zu lernen und üben geben?
crammy: Wie oben gesagt, arbeiten wir an einem Satztrainer für Englisch, der alle wichtigsten grammatikalischen Fälle, von Zeitformen über Passiv und Verneinung bis hin zu Standard-Gesprächssituationen (Wollen, Können, Argumentieren…) abdecken wird. Dieser wird auch auf den gegenwärtigen Geräten laufen und Sätze bis zu 120 Zeichen verarbeiten. Es wird mit 2 Schirmen gearbeitet, das Umblättern erfolgt automatisch nach Beendigung der Sprachausgabe. An der Bedienung ändert sich nichts. Unrägelmäßige Formen von Verben sind schon jetzt in den Wortschätzen enthalten. Bei den romanischen Sprachen zB. die wichtigen Konjugationen !
Lernblog: Studenten haben vor dem Studium meistens die Fremdsprache Englisch und einige haben eine weitere Sprache eher nebenbei gelernt. Inwieweit lohnt sich der Kauf des crammys, wenn man als Student sich gute Kenntnisse in einer neuen Fremdsprache, wie bspw. Italienisch oder Spanisch aneignen will?
crammy: Als Vokabeltrainer macht Crammy natürlich vor allem kursbegleitend Sinn. Ob sich das mit dem Satztrainer ändert, und man auch ohne begleitenden Kurs ausreichende Sprachkompetenz aneignen kann, wird sich zeigen. Satztrainer für romanische Sprachen sind aber noch nicht fest terminiert.
Für jeden, der einen Spanisch-, Italienisch- oder Französisch-Kurs besucht, empfiehlt sich Crammy, weil Vokabeltraining Voraussetzung für jeden Kurserfolg ist, aber im Kurs selbst natürlich nicht erfolgen kann. Die mobilen Möglichkeiten, das Lernen im Auto oder kurz vor dem Einschlafen und das öftere “zwischendurchlernen„ tagsüber, ohne den PC hochfahren zu müssen, zeichnen Crammy dabei gegenüber PC-Lernprogrammen aus. Was die Investition in einen Crammy angeht, muß man diese im Verhältnis zum Gesamtaufwand des Lernens bewerten. Ein professioneller 100h Crash-Kurs kostet zwischen 5.000 und 10.000 EUR + die Zeit des Vokabellernens zu Hause.
Lernblog: Haben Sie vor für Menschen, die bspw. in Deutschland leben, jedoch Deutsch als Fremdsprache ansehen, eine angepasste Version anzubieten?
crammy: Deutsch als Fremdsprache steht auf dem Programm. Insbesondere aus Wien wird uns großes Interesse an Deutsch für Türken signalisiert. Man kann z.B. Frauen, die weder PC-Zugang haben noch Kurse besuchen, einen maßgeschneiderten Deutsch-Kurs auf dem Crammy präsentieren. Deren Sprachkompetenz kann dann an die Kinder weitergegeben werden. Wir können die erforderlichen Wortschätze gegenwärtig aber nicht vorfinanzieren, sondern müssen zuerst unser Geld in Marketingmaßnahmen in Deutschland investieren, um überhaupt bekannt zu werden und Stückzahlen zu verkaufen. Unsere Wiener Freunde versuchen aber, für das Türkisch-Programm Fördermittel zu bekommen. Für Russisch-Deutsch wäre das evtl. auch ein Weg.
Für Spanier, Italiener, Franzosen und Engländer ist der Crammy in der gegenwärtigen Form mit Einschränkungen auch schon nutzbar. Für diese Märkte werden jedoch Anpassungen vorzunehmen sein, die die Besonderheiten der deutschen Sprache berücksichtigen. Die deutschen Artikel sind jedenfalls schon mit vertont, was für Ausländer wichtig ist. Über zu unterstützenden unregelmäßige Formen des Deutschen müssen wir noch nachdenken.
Wir danken Ihnen sehr für ihre Zeit und wünschen Ihnen viel Erolg mit ihrem mobilen Vokabeltrainer!
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