Die rasante Entwicklung des digitalen Wandels hat die EU zu einem historischen Schritt angespornt: Der Rat für Wettbewerbsfähigkeit hat beschlossen, die Wissenschaft auf Open Access umzustellen. Bis 2020 sollen die Ergebnisse von öffentlich geförderten Forschungsprojekten „kosten- und barrierefrei“ für die Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Diese Forderung erfreut allerdings nicht jeden.
Die bisherige Sachlage ist so: Die Forschung der Universitäten wird mit Steuergeldern finanziert. Die Ergebnisse der Forschung veröffentlichen die Wissenschaftler in Fachzeitschriften wie der renommierten „Nature“ oder dem „International Journal of Medicine“. Große Bibliotheken, Universitäten und Berufsverbände abonnieren diese Journale für horrende Gebühren. Die Allgemeinheit bezahlt das Wissen damit doppelt, erst die Forscher selbst und dann die Verlage. Das soll sich nun ändern. Staatlich finanzierte Wissenschaft hat den Auftrag, nach Informationen und Lösungen zu suchen, die für das Gemeinwohl bedeutsam sind. Es wäre ein Gewinn, wenn alle Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
INHALTSVERZEICHNIS
Vorteile von Open Access
- Wissen bedeutet Macht. Open Access macht diese für alle zugänglich.
- Ärzte können in Eigenregie unkompliziert nach neuen Erkenntnissen für Ihre Patienten suchen.
- Das Wissen verschiedener Fächer – etwa von Klimaforschung und Medizin – ist stark vernetzt; neue Zusammenhänge könnten aufgespürt werden.
- Die Forscher sind aufgefordert, ihre Projekte auf den Nutzen für die Gesellschaft hin zu prüfen: Steuerverschwendung wird schneller offenkundig.
- Die Wissenschaft kommt der alltäglichen Realität näher. Bisher leiden Laien und sogar Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen an dem Wust kaum verständlicher Ausdrucksweisen. Die Verständigung ist kompliziert und aufwändig. Mit Open Access rücken Wissenschaft und Gesellschaft näher zusammen.
Der Beschluss der EU gibt ein deutliches Signal, den Kontinent auf die Höhe der (digitalen) Zeit zu bringen. Weltweit spielt die Vermittlung von Wissen über das Internet eine immer größere Rolle, immer mehr Archive werden digitalisiert und frei zugänglich gemacht. E-Learning, als das digitale Lernen, hat sich zu einer eigenen Branche mit Millionenumsatz entwickelt, die auch in Deutschland einen wachsenden Stellenbedarf verzeichnet.
Offene Fragen und Widersprüche
Allerdings gibt es zum Thema Open Access auch offene Fragen. Wer zum Beispiel gewährleistet die Qualität der Veröffentlichungen? Fachzeitschriften beschäftigen Lektoren, die unter den vielen Einsendungen die hochwertigsten Studienergebnisse auswählen. Die intensive Prüfung kostet Zeit und Geld. Im Open-Access-Modell hingegen können Forscher ihre Ergebnisse unzensiert in Datenbanken hochladen. Die Frage ist also, wie ein gesundes Maß zwischen Qualität und Quantität der publizierten Studien zu erhalten ist.
Die Wissenschaftsverlage jedenfalls bangen um ihre Existenzgrundlage und haben den Entwurf bereits scharf kritisiert. Doch scheint es noch zu früh, sich ernsthaft zu sorgen, denn außer dem Datum 2020 enthält die Verlautbarung wenig konkretes, die Forderungen sind schwammig und recht allgemein gehalten. Bis es zu einem wirklichen Durchbruch in Sachen Open Access kommt, dürften noch einige Jahre ins Land ziehen.