Interview mit Dirk Niebel von der FDP

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Dirk Niebel ist seit Mai 2005 zum Generalsekretär der FDP gewählt worden. Ein detailierten Lebenslauf findet ihr auf seiner Homepage. Ich habe ein E-Mail Interview mit ihm geführt über seine Position in der Partei, Studiengebühren, Zukunft auf den Arbeitsmarkt und wie die FDP ihr Image als Spaßpartei wirklich verliert. Ich habe mir Dirk Niebel als Interviewpartner ausgesucht, da er eine hohe Position in der Partei hat, jedoch eher vor allem weil der die Inhalte vom offiziellen FDP-Blog verfasst. Ich habe mich sehr gefreut, dass nach zweieinhalb Tagen schon die Antworten kamen. Kommen wir jetzt zum Interview:

Pressebild von Dirk Niebel vom Juli 2005

Pressebild von Dirk Niebel vom Juli 2005

Interview mit Dirk Niebel von der FDP

Lern-Online.net: Sehr geehrter Herr Niebel, seit Mai 2005 sind sie der Generalsekretär der FDP. Was sind die Aufgaben eines Generalsekretärs und wie gefällt ihnen dieses Amt bisher?

Dirk Niebel: Der Generalsekretär wirkt in der Partei nach außen, indem er neben dem Bundesvorsitzenden die Position der Partei öffentlich vertritt. Im Ton kann er dabei auch etwas schärfer sein. Nach innen ist er für die Programmatik, die Betreuung der Parteigremien und die Verwaltung zuständig. Mir gefallen diese Aufgaben gut, ich finde sie abwechslungsreich und herausfordernd. Ich werde bei diesen Aufgaben durch kreative, zuverlässige und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützt.

Lern-Online.net: Vor einigen Tagen laß ich einen Artikel im Spiegel „Chance der FDP – Achillesferse Guido“, die berichtete, dass eigentlich die momentane Zeit der vielen Veränderungen optimal für eine liberale Partei steht, jedoch auch dass dieses Potential nicht erreicht werden kann, weil es an besonderen Persönlichkeiten in der FDP mangelt. Sie werden sicherlich dies widersprechen, aber wie wird die FDP ihr Image einer Spaßpartei verlieren, wenn weiterhin Guido Westerwelle die Führung inne hat?

Dirk Niebel: Die FDP ist die stärkste Oppositionspartei im Deutschen Bundestag. Das ist kein Spaß, denn das Kartell der Sozialdemokraten in christdemokratischem Hemd hat außer einem massiven Steuererhöhungsprogramm nichts zu bieten. Alle notwendigen Maßnahmen, z.B. in der Arbeits- und Tarifpolitik, werden auf den St.-Nimmerleinstag verschoben. Wir haben eine Reihe qualifizierter Fachpolitiker, z.B. in der Gesundheits-, Umwelt- und nicht zuletzt in der Arbeitsmarktpolitik, deren Stimmen und Positionen von den Medien mehr verbreitet werden müssten. Im Bundestag können wir aufgrund der herrschenden Mehrheitsverhältnisse wenig ausrichten. Deshalb brauchen wir den Protest der Wählerinnen und Wähler, die scheinen z.B. teilweise die katastrophalen Auswirkungen der Mehrwertsteuererhöhung ab Januar 2007 für die Konjunktur noch nicht zu realisieren.

Lern-Online.net: Ihre radikalen Reformvorschläge für die Bundesagentur für Arbeit teile ich auch. Ich kenne niemanden, der dort einen richtigen Job gefunden hat und glücklich geworden ist. Wie soll ohne dieses Amt ein Arbeitsloser einen Job ihrer Meinung nach finden durch Internet-Job-Vermittlungen wie monster.de oder stepstone.de?

Dirk Niebel: Aufgrund der letzten Umstrukturierungen durch Hartz III und IV hat die BA ihr Personal noch einmal aufgestockt. Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin hoch und das Angebot an Arbeitsplätzen zu gering. Die Internet-Jobbörsen sind bei der Arbeitsplatzsuche ein ausgezeichnetes Instrument, sie werden aber nicht alle Arbeitgeber und Arbeitsuchenden erreichen können. Wir wollen die BA durch ein Drei-Säulen-Modell ersetzen: eine Versicherungsagentur für das Arbeitslosengeld I, eine Arbeitsmarktagentur für überregionale Aufgaben und die kommunalen Jobcenter. Die persönlichen Anlaufstellen sollen nicht wegfallen, sondern alle Arbeitslosen sollen in kommunalen Jobcentern betreut, beraten und qualifiziert werden.

Lern-Online.net: Thema Studiengebühren: Die FDP findet Studiengebühren eindeutig richtig und notwendig. Nennen Sie mir gute Gründe, warum man ihrer Ansicht nach Studiengebühren verlangen sollte. Ich halte Sie zwar auch für unumgänglich*, jedoch befürchte ich, dass sie wie fast jede staatliche Einnahme falsch ausgegeben wird. Ihr Konzept ist ausgerichtet an nachlaufenden Gebühren habe ich in der Presse gelesen.
Erklären Sie uns bitte ihr System mit einfachen Worten.

Dirk Niebel: Die Hochschulen brauchen wirkliche Autonomie, um wieder an die Spitze zu kommen. Dies gilt für Personal-, Organisations- und Budgetangelegenheiten. Hochschulen sollen sich ihre Studentinnen und Studenten selbst aussuchen können, und umgekehrt sollen die Studentinnen und Studenten die Möglichkeit haben, die für sie beste Universität auszuwählen. Die Hochschulen müssen die Freiheit haben, Studienentgelte zu erheben, um ihr Lehrangebot zu verbessern. Dann stehen die Universitäten im Wettbewerb miteinander. So kann beispielsweise eine Universität mit Standortnachteilen auf Studiengebühren verzichten, um Studenten anzuziehen. Dafür muss ein Stipendien- und Darlehenssystem aufgebaut werden. Darlehen müssen nachlaufend, d.h. erst dann, wenn die ehemaligen Studierenden genug verdienen, zurückgezahlt werden. Für die Liberalen ist es im Sinne der Chancengerechtigkeit ganz wichtig, dass die Grundsicherung des Lebensunterhaltes für Studierende nicht in Frage gestellt wird. Das BAFÖG muss weiterentwickelt werden.

Lern-Online.net:„Studieren in Deutschland – Arbeiten im Ausland“ – als Medizinstudent würde ich auch solch eine Aussage treffen. Was schlägt die FDP vor, damit die Studenten in Deutschland bleiben und hier ihren Job antreten, wenn sie im Grunde nicht ins Ausland wollen jedoch wegen der politischen Situation bzw. wirtschaftlichen Gründen das Ausland bevor ziehen. Das Studium wird teilweise vom Staat bezahlt und nach dem Abschluss gehen viele ins Ausland und somit werden gute Akademiker auf Staatskosten „outgesourcet“ also ins Ausland ausgelagert.

Dirk Niebel: Patienten und Ärzte können aufatmen, dass der zähe Tarifstreit ein Ende gefunden hat. Die Tarifeinigung war dringend nötig, die Betroffenen haben eine faire und akzeptable Lösung gefunden. Erstmals gibt es einen eigenen Ärztetarifvertrag, der die besonderen Anforderungen an Klinikärzte berücksichtigt. Es ist gut, dass die Bereitschaftsdienste nunmehr besser anerkannt und honoriert werden. Die schwarz-rote Bundesregierung muss durch eine grundlegende Gesundheitsreform die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen verbessern. Insbesondere muss der Arztberuf attraktiver werden, damit Ärzte nicht ins Ausland abwandern.

Lern-Online.net: Im September wird in meiner Wahlheimat Berlin gewählt. Die Prognosen sind nicht berauschend für die FDP, was werden die politischen Themen sein, die die FDP im Wahlkampf thematisieren wird und wie viel Prozent ist ihr Ziel?

Dirk Niebel: Das Ziel für die FDP ist Ablösung der rot-roten Regierung und um gestalten zu können, idealerweise die Regierungsbeteiligung im Senat. Unsere Schwerpunkte in Berlin sind wirtschafts-, sozial-, bildungs- und regionale arbeitsmarktpolitische Themen, auch Integrationspolitik und Stadtentwicklung. Die öffentlichen Aufgaben und die Ausgaben müssen konsequent verringert werden. Das Wahlprogramm der Berliner FDP können Sie unter www.fdp-berlin.de nachlesen.

Wir danken ihnen sehr, dass sie sich Zeit genommen haben für unser Interview.
Wenn euch dieses Interview sehr gefällt, kann ich mir vorstellen andere Politiker aus Deutschland, egal welcher Partei, über die Themen Bildung, Arbeit und die Aufgaben in einer Partei weitere Interviews zu führen. Stellt mir Ideen, welche kritischen Fragen man stellen kann und was euch besonders interessiert.

*Update 27.11.06 Seit gut 2 Monaten studiere ich und habe meine Meinung zu Studiengebühren grundsätzlich geändert. Ich bin nun doch gegen die Einführung von Studiengebühren, obwohl ich mich in der Szene momentan gar nicht stark mache. Das Studium kostet genauso wie die Schule auch schon ohne Gebühren jede Menge Geld und Bildung muss der Staat in Deutschland finanzieren, da es nachweislich eher Hochschulabsolventen mehr Lohn beziehen und so mehr Steuern zahlen.

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